Linksfahren und Reifenpannen

Nach zwei Tagen in Dublin brechen wir mit unserem Mietwagen zur geplanten Rundreise auf: Linksfahren. Ab sofort. „Halt! Stop! Wir sind im Gegenverkehr!“ Na toll, gleich beim ersten Kreisel falsch gefahren. Du müsstest groß auf dein Auto pinseln: „Festlandbewohner! Vorsicht!“

Linksfahren und Reifenpannen - Das Schloss von CashelWir fahren nach Cashel, heute verschlafen, früher Sitz der Könige, schauen wir uns neben ihrem Rock of Cashel das wohl entzückendste Museum der Welt an. Ein Hippie führt uns herum und auch mit den Kindern bekommen wir einen guten Rundum-Einblick.

In der Eingangshalle begrüßt und verabschiedet die Besucher eine lebensfrohe, sinnliche Figur: Sheela. Die Sheela-na-Gig-Figuren Linksfahren und Reifenpannen - Fruchtbarkeitsgöttin Sheela-na-Gig werden uns auf der Irland-Reise immer wieder begegnen. Aus Stein, groß oder klein, ist sie die Göttin, die weibliche Gottheit, die die Menschheit in der Frühzeit, wie auch in der keltischen Epoche, anbeteten. Sie versinnbildlicht das Leben und die Fruchtbarkeit der Frauen, voller Freude und Frechheit, schelmisch ihre Präsenz und schamlos das Zeigen ihres Körpers.

Als wir weitergehen und uns mit dem Rest der dann sehr brutalen Geschichte Irlands konfrontieren, überlegen wir kurz, ob wir wegen der Kinder nicht besser flüchten sollen. Die irische Geschichte ist so voller Grauen, dass es kaum zu ertragen lässt. Es in abgeschwächter Form Anton zu erzählen ist eine echte Herausforderung. Mit weggeschluckten Tränen gehen wir durch Räume mit Puppen, die die Kriege, Linksfahren und Reifenpannen - Das Museum in CashelHungersnöte und Knebelgesetze veranschaulichen. Ich erinnere mich an „Angelas Ashes“, „Die Asche meiner Mutter“, die für Mütter schwer zu ertragende wundervoll geschriebene Kindheitsgeschichte Frank McCourts aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts.

 Der Überlebenswillen der Menschen wird deutlich, der Lebensmut und die Kraft von Literatur und Musik. Kein Volk hat wohl mehr Lieder und Geschichten hervorgebracht als das irische. Kein Wunder: wem die Sprache verboten wird, das Keltische, der erzählt. Wer keine Hoffnung mehr hat, dem hilft die Musik. Und die Liebe gab es zu allen Zeiten.

Liebe muss auch die Familien zusammen gehalten haben, Linksfahren und Reifenpannen - Tinka-Wagen für eine 18köpfige Familiedie zu achtzehnt in diesem Pferde-Wagen gewohnt haben. Das fahrende Volk Irlands, die Tinker, waren ursprünglich enteignete irische Adlige, denen verboten wurde, in Häusern zu wohnen. Entsprechend prunkvoll ist das Interieur, Silber und Spitzen schmücken dieses Prachtstück. Als Wagenliebhaberin und ehemalige Bewohnerin ist der Anblick des bunten Holzes und des fragilen Fahrgestells eine einzige Augenweide.

Die Geschichte der Auswanderer wird in einem ehemaligen Stall präsentiert. Das geht uns Hamburgern natürlich besonders nahe. Im letzten Hamburger Winter besuchten wir das neue Auswanderermuseum in Hamburg-Wilhelmsburg, das eindrücklich die Hoffnungen und Dramen der Menschen bebildert. Puppen erzählen ihre Lebensgeschichte. Familien, die hungerten und in Amerika ihr Glück suchten. Auch wir werden von Irland aus nach Amerika reisen. Nicht arm, sondern satt und zufrieden. Sehr reich fühlen wir uns, sehr vom Schicksal begünstigt, wunderbar geborgen in diesem Land zu dieser Zeit.

Die Titanic begegnet uns hier zum ersten Mal – und dann immer wieder. In Irland hat sie das letzte Mal europäisch geankert. Wir denken an die Flüchtlinge dieser Welt, die Ertrinkenden im Mittelmeer und wie so etwa Barbarisches möglich sein kann in dieser heutigen, reichen Welt.

Das Museum ist brilliant, klein und fein und ganz nah dran, mit Menschen, die wirklich gerne erzählen und nur so viel Text, das es für die Besuchenden verdaubar bleibt. Das Englische der Kinder beschränkt sich noch auf ‘Yes’ und ‘No’ und ‘Hello’ und so können wir leider keinen langen Geschichten lauschen, aber draußen locken ja auch ungemein Irlands wilde Landschaften.

Linksfahren und Reifenpannen - Am Beginn des Rings of BearaWeiter geht es am Meer entlang. Wir fahren um den Ring of Beara. Der Ring of Kerry ist die berühmteste Rundstraße in Irland am Atlantik, wunderschön, aber auch sehr voll. Der Ring of Beara gehört uns, er ist nicht weniger wild, dafür einsamer und  verwunschen.

Aber er hat es auch in sich,  hohe Pässe – dass Irlands Berge in die Tausender gehen hatte ich vergessen – Serpentinen bis zum Meeresspiegel und dann die vielen romantischen Buchten, wir bekommen was zu sehen. Und Anton kann endlich klettern, bergziegengleich ist unser Sohn schon immer gewesen. Wir sehen mit flauem Gefühl seiner Zukunft als Abenteuersportler entgegen.

Für Petra bedeutet die Straße vor allem Anstrengung, die Fahrerei ist nicht gerade ein Vergnügen. Das Mietauto ist zu groß für die Sträßchen, idiotisch tiefer gelegt und geht dauernd aus. Es wird täglich beschimpft. Und wenn dann auf diesen engen Straßen, weiß der Himmel woher, plötzlich scharfkantige Felsbrocken am Straßenrand liegen, dann muss es halt selber sehen, wie es da durch kommt! Kommt es nicht, müssen wir feststellen. Hat einfach ein Loch im Reifen! Das erste Mal haben wir Glück, weil das platte Rad von unserenLinksfahren und Reifenpannen - Gap of Dunloe herzlichen Gastgebern außerhalb Killarneys, am See nahe des Gap of Dunloe, Mr & Mrs Sweeney vom idyllischem B&B The Invicta“, bemerkt und behelfsmäßig repariert wird, so dass wir zur nächsten Werkstatt können. Das zweite Mal passiert es uns dann auf dem kurvigen Ring of Beara. Plötzlich stehen wir da, mit plattem Reifen.   

Aber Reifenwechseln, ha! Das können wir! Endlich Reifen wechseln!  Seit dem Pannenhilfe-Samstag mit der “Hamburger Frauenfahrschule” geht das ratzfatz und mit Vergnügen. Linksfahren und Reifenpannen - Auf dem Ring of BearaHinterher sind wir stolz! Könnten glatt eine Autowerkstatt aufmachen. Und fallen abends weich in die riesigen Betten. Vor dem Fenster grasen Kühe und schauen uns direkt in unser Zimmer, so hatten wir uns Irland vorgestellt: friedlich, grün und abenteuerlich.

 

Petra & Alex
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