Was ist Glück?

Wir haben uns vorgenommen, die Menschen nach ihrem persönlichem Glück zu fragen. Was ist Glück? Ist es die Zufriedenheit, die ich spüre, wenn ich etwas erreicht habe oder etwas erhalte? Das Gefühl, wenn ich meine Familie betrachte, meine Freundinnen, Freunde und das, was in meinem Leben gut läuft?

Sehr unterschiedlich sind Glücksempfindungen und deren Definitionen, es ist höchst persönlich, das Glück. Alle Befragungen, auch meine während der Reise, haben zwei Antworten gemeinsam: Familie oder Wahlfamilie und Gesundheit. In Cafés in Irland befragte ich Tischnachbarn und unsere Gastgeber, was für ihr Leben, für ihr Glück, wesentlich ist. Alle, ausnahmslos, nannten ihre Familie, ihre Kinder und Enkelkinder und ihre Herzensliebsten als zentrale Voraussetzung für Glück. Danach kam die Gesundheit. Alle sprachen gern über ihr Leben und ihr Glück. Über Glück zu sprechen macht alleine schon glücklich. Ich schaue in strahlende Gesichter.

Tragende Bindungen

Alle bestätigen: Bindungen, die halten und tragen, sind das Wichtigste. Das, was alle glücklich macht. Zumindest, wenn die Beziehungen gut laufen. Unglückliche Zeiten in der Familie und mit Freunden bewirken das Gegenteil, nichts ist zerstörerischer. Der Job wird allerdings nie genannt. Er ist es nicht, der am Glücklichsten macht, der in den Leben der Menschen eine zentrale Rolle einnimmt. Und dabei nimmt er am meisten Lebenszeit in Anspruch. Arbeit kann befriedigend sein und ist notwendig, sie kann sogar glücklich machen, aber die Menschen antworten immer: Das, was sie glücklich macht, ist die Familie. Die macht sie zu einem glücklichen Menschen. Die Liebsten, der engste Kreis. Es sind die Menschen selbst, die – ganz ohne Geld und nur mit einem großen Herzen ausgestattet – Glück herstellen und verbreiten können. Und das Tolle dabei ist: Glück vermehrt sich dann auch noch, zieht Kreise, steckt an.

Die Gesundheit ist am Allerwichtigsten?

Der nächste Punkt, die Gesundheit, ist mit Vorsicht zu genießen, finde ich. Die Gesundheit ist das Wichtigste? Was ist, wenn ich einfach nicht gesund bin? Nie. Chronisch krank. Deshalb bin ich immer wieder berührt bei dem Satz: „Gesundheit ist doch das Wichtigste. Hauptsache gesund, nicht wahr?“

Die WHO (die Weltgesundheitsorganisation) definiert Gesundheit so: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht etwa ein Fehlen von körperlichen oder geistigen Gebrechen.“ Na also, wer ist Bitteschön nach dieser Definition immer gesund?

Gesundheit ist vor allem ein Lebensgefühl des Gleichgewichtes, ein ausgewogenes Verhältnis aller Persönlichkeitsanteile und ein möglichst schmerzloses Funktionieren der Körpersysteme. Dazu kommt die Gesundheit der sozialen Systeme, unsere Umgebung. Beim genauen Hinschauen: Ist die gesund?

Wer es genau nimmt, dem fällt auf, dass es rundum gesunde Menschen kaum gibt. Oder vielleicht gar nicht? Das ist doch beruhigend. Oder sollte es beunruhigend sein? Der Zustand unserer Welt, der Umwelt, der sozialen Systeme. Und der rasante Anstieg von psychischen Erkrankungen. Depressionen sind normal geworden, eher ist es außergewöhnlich, nie im Leben eine ernsthafte psychische Erkrankung zu entwickeln. Menschen reagieren bei Überforderung mit Depressionen, nach Schicksalsschlägen, Gewalterfahrungen, Trennungen, bei starken oder lang andauernden Schmerzen und nach Krankheitsdiagnosen. Und wenn schlicht die Sinne über- oder unterfordert sind. Depressed heißt niedergedrückt und die Umstände des Lebens können wahrhaft bedrückend sein. Den Menschen am Boden halten, niedergeschlagen, wortwörtlich wie auch im übertragenen Sinne. Dann wird Glück unmöglich, das Gefühl von Glück kann in einer Depression sogar regelrecht vergessen werden. Manchmal schaue ich in leere Gesichter, unbewegliche, und vermute, dass es viele Menschen gibt, die Gefühle von Glück nicht oder nur sehr vage kennen. Von außen sieht man den Menschen Schmerzen, Belastungen, Lebensthemen nicht an. Strahlende, scheinbar gesunde, Menschen sehe ich auch.

Lieber chronisch krank und froh als ein Leben im Grau

Aber krank sein und glücklich, geht das? Ja, es geht. Es ist ein Auf und Ab, aber es geht. Wenn es mir persönlich gut geht, heißt das nicht, dass ich frei von Schmerz bin, ein paar Symptome sind seit Jahren täglich an Bord, aber ich habe mich gewöhnt und versuche, mich auf das Schöne im Leben und das Angenehme mit meinem Körper – und meiner Seele – zu konzentrieren. Oft sind Menschen konsterniert, wenn sie von der MS erfahren. So jung? So gesund aussehend? Ich antworte mittlerweile: „Es gibt kein besseres Mittel, gesund auszusehen als eine früh diagnostizierte chronische Krankheit.“ Warum? Du lernst, gut auf dich aufzupassen, du musst regelmäßig Sport machen und dir Gutes gönnen. Gesund essen, nicht zu exzessiv feiern und das Leben genießen, so lange es noch geht. Das hält jung.“ Ich will nichts beschönigen, ich würde auch lieber gesund und rundum fit sein, kontinuierlich arbeiten können, Lebensträume verwirklichen ohne gesundheitliches Risiko und mit aller Kraft, die gesunden Menschen zur Verfügung steht, ohne Schmerzen. Aber es ist, wie es ist und heulen hilft nicht. Ab und an Mitgefühl schon.

Ich lenke oft ein, wenn behauptet wird: „Die Gesundheit ist doch das Allerwichtigste.“ Für mich ist das ein Ding der Unmöglichkeit und nicht nur für mich. Wer zuhört, hört viele Geschichten. Dann fangen die Menschen an zu erzählen. Wenn ich die MS erwähne, erzählen auch sie von Schmerzen, Dramen, innerer Not und ihrem persönlichem Weg, trotz allem gut zu leben. Glücklich zu sein. Und ich stelle wieder fest: Nein, die Gesundheit ist nicht das Allerwichtigste. Die seelische vielleicht: Die Fähigkeit, Glück zu empfinden.

Behindert sein ist der nächste Punkt. Die meisten Behinderungen sind nicht sichtbar. Viel mehr Menschen, als du vermutest, haben einen Ausweis bei sich und etwas im Lebens-Rucksack, das das Leben schwerer macht. So viele haben Krebserkrankungen überstanden oder sind gerade dabei, gegen eine Krankheit zu kämpfen. Oder müssen, wie bei mir, mit chronischen Erkrankungen leben, mit Folgen von früheren Erkrankungen, Ererbtem oder Folgen eines Unfalles und einen Weg damit finden. Hat das etwas mit Glück zu tun? Mit Glücksfähigkeit?

Wer dauernd Schmerzen hat, dem fällt das Glück zuweilen schwer. Manchmal jedoch wirkt es umso extremer, je seltener es kommt und je überraschender. Ist glücklich, wer immer zufrieden ist? Das ist vielleicht ein ganz anderes Gefühl, die Sattheit und Zufriedenheit, das gute Gefühl, dass immer alles safe und beschützt ist, abgesichert und ohne Risiko. Das heiße Gefühl von Glück ist es nicht. Aber Glück kann auch auf leisen Sohlen daherkommen und viele kleine Glücksmomente ergeben ein Lebenspuzzle voller Glück.

Echtes Glück bleibt stark in der Erinnerung. Echte Glücksschätze, die immer da sind, unvergesslich. Zum Schwelgen bestimmt, für die Zeiten, in denen es nicht rund läuft und du starke Visualisierungen nötig hast, alte glückliche Geschichten, die auch in Bitterkeit fröhlich stimmen. Bleibende Glücksmomente bewirken eine Zauberei des Gehirns, sie sind heilsam und wunderbar, die Schätze der Erinnerung. Das macht glücklich, für immer.

Die Tür öffnen und das Glück hereinbitten

Wie können wir glücklicher werden? Eine Grundvorraussetzung für Glücksempfindungen ist die eigene Offenheit. Die Wahrnehmungsfähigkeit der Sinne zu schulen und die Bereitschaft zu entwickeln, glückliche Begebenheiten zu erwarten. Sich auf zu machen. Wer die kleinen Blumen am Wegrand nicht sieht und sich nur auf Großes konzentriert, sieht wenig. Wer zu schnell geht, kann nicht betrachten und nicht durch Glückswahrnehmungen beschenkt werden. Hetze ist eines der größten Glücksfeinde. Nichts zählt mehr, wenn du eilst, nur das Ziel, was du erreichen willst. Du verlierst den Blick für’s Kleine und für’s Ganze. Reisen, auch die kleine Reise zu Hause auf unbekannten Wegen, kann die Haltung verändern oder dich dazu bringen, dich bewusst zu verändern.

Mit diesen Erfahrungen dem Reiseglück vertrauen?

Wir haben uns vor der Reise Gedanken gemacht, wie es wohl werden wird, auf welche Art wir reisen würden. Mit Kindern ist alles anders. Gerade große Ziele wie New York, San Francisco, Seoul oder China haben mir im Vorfeld große Angst gemacht. Auch meine Erfahrung, dass wir gerne Sachen durchziehen, die wir uns in den Kopf gesetzt haben, brachte mich zum Schaudern. Ich sah mich – und uns alle – völlig erschöpft am Straßenrand liegen. MS-Schübe schienen vorprogrammiert.

Wir sprachen darüber, dass das Reisen mit Kindern ein anderes sein würde. Allein mir fehlte der Glaube. Lange Autofahrten mit Kindern habe ich in der Vergangenheit des öfteren als absoluten Ausnahmezustand erlebt. Zwischen Navi, Karten, Kinderessen und dem Beruhigen der Vandalen, brachte es mich manchmal an den Rand der Verzweiflung. Mein Körper meldete sich mit Symptomen, wenn ich mich nicht genug bewegte und ich vertrug das Unterwegsein generell nicht gut. Lange Reisen schienen undenkbar. Auch das Ungeplante machte mir zunächst Angst, vielmehr: Ich schwankte zwischen Panik und Lust. Ja, ich bekam tatsächlich auch Lust auf das Ungeplante. So war ich früher, ich spürte meine Wurzeln und meinen früheren Unternehmergeist und Risikobereitschaft. Lust auf das Zufallsprinzip. Auf Schicksal und Fügungen.

Es war schnell klar: Auf dieser Reise würden wir kaum etwas planen. Nur die grobe Route, die Länder und Flüge. Und die Tour in Irland, aber dann wurde es schon düster. Die dicken Bücher über Kanada, New York und Kalifornien überforderten mich total. Welche Nationalparks, welche Städte, welche Highlights? Sollten wir überhaupt etwas planen? Ist das nicht alles viel zu viel?

Das Couchsurfen half dabei. Meistens funktionieren sowieso nur kurzfristige Arrangements, es reicht, einige Wochen vorher anzufragen und auf das Glück zu vertrauen. Und genau das war der springende Punkt: Auf das Glück vertrauen. Vertrauen. Kann ich das? Ich muss. Ins kalte Wasser springen soll ja schon mancher geholfen haben. Denn das unbekannte Wasser kann ja auch warm sein. Aber darauf vertrauen auf einer Weltreise, zwar mit Geld, aber nicht mit einem unbeschränkten Budget, noch dazu mit Kindern? Auf spontane Unterkünfte vertrauen, fremden Menschen vertrauen, einer kaum geplanten Route vertrauen, das ist eine echte Herausforderung.

Manche nannten uns wahnsinnig. Unverantwortlich. Viele bekamen aber auch selbst glänzende Augen. Gibt es Spannenderes als sich auf etwas Ungeplantes, Ungewisses einzulassen und das Glück zuzulassen?

Neue Orte – neues Glück

Das Glück, wenn es überraschend passieren soll und überwältigend wirkt, kann nur spontan entstehen. Auch Langanhaltendes kann überwältigend sein, aber ich meine hier das wilde, plötzliche Glück. Ein Gefühl, das dich überfällt, heiß durchläuft, zum Weinen bringt, zum Strahlen, zum Leuchten. Das klingt nach Verlieben. Und das ist es auch, ein sich verknallen, in Landschaften, Wetterleuchten, Meere und Berge, Städte und Länder. In die ganze Welt. Schwer vorstellbar, dass das so passieren kann, wenn du alles durchplanst. Gar einen Kontinent in wenigen Tagen durcheilst und kaum Kontakt mit Einheimischen hast. Wie soll das Glück entstehen, wenn du das Neue meidest?

Das Neue kann Angst machen, aber auch glücklich. Ich liebe das Neue, wir alle lieben das Neue, sind neugierig. Unsere Kinder sind wunderbarerweise glücklich, wenn sie Neues kennenlernen. Sie lieben den fröhlichen Kontakt zu neuen Menschen, sie lieben mittlerweile sogar das Autofahren, Flüge und Bahnfahren und besonders das Ankommen in einem neue, kurzzeitigen Zuhause. Das zu sehen, macht glücklich. Das fröhliche Springen auf neuen Betten, das Erforschen von Haus und Garten. Besonders natürlich das Kontakte knüpfen, es ist zu niedlich, wie schnell sich die Kinder verbinden, mit der Umgebung, mit den Menschen. Sie kennen keine Anlaufschwierigkeiten und machen sich vertraut. Sie sind ganz spontan glücklich mit dem, was sie vorfinden.

Wie glücklich ein Auto machen kann…

Wir haben uns schon in diesen wenigen Wochen verändert. Ich liebe die neue Entspannung zwischen uns und mit den Dingen. Ich fühle mich ganz anders, mehr bei mir, lockerer. Das Reisen eröffnet ein ganz neues Leben. Auch dass ich seit diesem Jahr Autofahren darf, befreit. Ich bin endlich mobil, ganz erwachsen und frei. Familienwalz - Was ist Glück? - In KanadaIch darf mich völlig legitim nur aufs Autofahren konzentrieren – und in Kalifornien auf die wundervolle Musik des Coffeehouse-Senders – das macht mich wirklich glücklich. Das Glück durchschießt mich, das neue Lebensgefühl ist ein einziges Baden in Glückshormonen. Neue Freiheit, neue Mobilität, neue Autonomie. Das alleine hat schon viel verändert. Etwas ist gerade gerückt. Ich fühle mich gleichberechtigt und frei, es ist unbeschreiblich. Das ist wahres Glück. Und ebnet den Weg zum Glück der Zukunft. Wie sehr Mobilität Glück bestimmt, wird mir klar. Wie wichtig Mobilität für alle Menschen ist, besonders für Menschen mit „Special needs“- dieser Begriff gefällt mir viel besser als „behindert zu sein“ – ist offensichtlich. Autofahren ist viel mehr als das pure Autofahren. Aber auch das macht mich glücklich, ist reine Freude.

Das Glück trainieren und das Schicksal zulassen

In Hinterzarten im Schwarzwald, wo ich mich von Schüben erhole oder sie im besten Falle im Vorfeld abwende, hält der leitende Arzt wöchentlich interessante Vorträge. Sie sind zum Lachen und zum Weinen, gespickt mit Forschungsergebnissen und Anekdoten, sie geben Kraft zum Kämpfen und Mut zum Glück. „Warum gehen die Menschen in die Mucki-Buden? Und nicht in Denk-Buden? Sie könnten auch das Glück trainieren. Alles ist eine Frage von Training, von Übung, von Mustern, von Lernen.“ Glück ist lernbar. Du musst nur offen dafür werden. Du kannst deine Sinne trainieren, die Tiefe deiner Empfindungen, die Kraft deiner Wahrnehmungen, das Bunte in deinem Leben. Alles hängt von deiner Empfindungsfähigkeit ab.

Es gibt Menschen, die an Fügungen glauben. Ich bin immer wieder überzeugt davon, weil ich schon so oft diese magischen Situationen und Schicksalswendungen erlebt habe. Auch die Kraft des Wünschens ist mir sehr bekannt. Wenn es mir schlecht geht, verliere ich den Glauben daran und einen Teil meiner Glücksfähigkeit. Wenn es mir gut geht, erlebe ich oft magische Momente, besondere Begegnungen und Wunscherfüllungen. Dieses Phänomen macht mich dankbar, demütig und sehr sehr glücklich.

Im Schwarzwald trainiere ich jeden Tag bewusst meine Sinne, das innere Erleben wie das äußere und versuche, möglichst viel davon nach Hause zu nehmen und umzusetzen. Alle Sinnesorgane sind auf Empfang gestellt und ich sehe Wunder an jeder Ecke. Diese Offenheit und Empfindsamkeit macht unbeschreiblich glücklich. Reisen kann das bewirken. Wenn du Wunder erwartest, wenn du sie sehen willst, siehst du sie auch. Wenn du deine Augen und dein Herz offen hältst, dann passiert es. Das Glück.

Da heißt nicht, dass jedes Unglück abwendbar wäre, geschweige denn, dass du selbst für alles Erlebte verantwortlich wärest. Diese Sichtweise lehne ich zutiefst ab. Eine geradezu widerwärtige esoterische Sicht, so zynisch in Anbetracht von Schicksalschlägen, von Gewalt, Krankheit und Tod. Aber das Glück lässt sich einladen, wenn es sich willkommen fühlt.
Die Offenheit für die Möglichkeit von Glück ist eine Grundvoraussetzung für das Glück selbst. Die Hirnforschung ist dabei, diese scheinbar magischen Mechanismen aufzudecken. Verliert der Zauber durch Wissen an Magie? Ich finde nicht. Ich liebe Naturwissenschaften, das Wissen, die Forschung. Auch mit Wissen um Ursache und Wirkung bleiben Wunder Wunder. Glück bliebt Glück. Plötzliche Fügungen passieren trotzdem spontan.

In Kalifornien glücklich aufgehoben im großen Ganzen

Jetzt gerade bin ich sehr glücklich. Ich sitze in San Francisco in einem Park, auf einem Spielplatz, es ist sommerwarm – und das in unserem Spätherbst – und ich darf schreiben. Das Seltene, das Limitierte, macht glücklich. Das, was bald ein Ende hat, was nicht ewig weilt. Alles Warme, ob von außen oder von innen. Und die Natur. Natur macht mich immer wieder auf eine ursprüngliche Weise überglücklich. In der Natur zu sein, verbindet mich mit dem Wichtigstem.

Hier duftet es nach Zitroneneukalyptus und Rosmarinhecken, nach Blumen und nach Basketballhalle – auch das ein Glücksgeruch, eine gute Erinnerung aus der Jugend – und warmer Sandkiste mit gelbem grobkörnigem massierendem Sand, nach frisch gewässertem Rasen und Sonnencréme. Diese Düfte, diese Mélange aus aus angenehmen Gerüchen, macht mich sehr glücklich. Ich spüre, wie wichtig meine Nase ist. Jemanden gut riechen zu können, macht froh, das gilt auch für Situationen und Orte. Und für unsere Couchsurfing-Gastfamilie in San Francisco – wir schwören, den Kontakt zu halten. In wenigen Monaten werden sie in unserer Familienwohnung in den Alpen Urlaub machen. Es ist schön, auch einmal etwas geben zu können. San Francisco, du wirst uns wiedersehen.

Die Erinnerungen an die letzten Tage machen uns alle glücklich. Wir waren länger im Yosemite-Nationalpark, fanden einen guten Ort zum Bleiben, das Hostel Yosemite-Bug. Wir waren krank und sind wieder gesund geworden, umgeben von Musikerinnen und Musikern, von Tönen und riesigen Bäumen. Wir durchstreiften die Canyons und Wälder, wir badeten in kalten Quellflüssen, in denen große Flusskrebse zu finden waren und zählten zwölf große Adler. Unbeschreiblich waren die Ausblicke vom erstiegenen Sentinel Dome und die mächtigen Familienwalz - Was ist Glück? - Am Sentinel DomeRedwood Mammutbäume. Ein Zwerg bist du neben diesen Stämmen. Sich klein fühlen, demütig, hilft, das Glück groß werden zu lassen. Berge. Meere. Mammutbäume. Es gibt Größeres als du selbst und du bist Teil des Ganzen. Auch das ist ein Punkt in der Glücksforschung und ein wichtiger Punkt bei allen Heilungsprozessen: Teil eines großen Ganzen zu sein und es zu fühlen. Du bist für dein Leben verantwortlich, aber nicht für alles. Es gibt etwas Größeres als du selbst.

Eine große Tüte Glückskekse

China warf in San Francisco seine Schatten voraus, oder besser: seine Sonnenstrahlen. Wir entdeckten die chinesischen Glücksoasen voller Nahrung. „Fleisch!“ schrie Theo, noch im Bus sitzend, ein echter Mann. Aber auch wir konnten nicht widerstehen, die karamellisierte Chicken-Wings waren ein Gedicht. Anton stand fasziniert vor dem halbem Schwein, das sich am Spieß drehte. „Chwein!“ sagte Theo. „Chweine“ sind seine Lieblingstiere und es stört ihn auch nicht, wenn sie auf dem Teller liegen. Absolut eine Option für den zukünftigen Bauernhof zu Hause.

Hier wanderten wir immer wieder an den Tresen, um neues Fleisch zu ordern, pervers, aber lecker. Auch die chinesischen Bäckereien gehörten zu unseren San-Francisco-Wochen: Berge von Croissants, Lotuscreme-Brötchen, Eier-Teilchen und eine große Tüte Glückskekse. Jeden Tag ein Keks für jeden von uns, das war mein Plan. Denkste. Die Kekse schmeckten nämlich außergewöhnlich gut. Und die Zettel, die Wünsche, das viele Glück, das soll nicht enden. Kinder sind maßlos. Glück zieht noch mehr Glück an. Wir aßen alle auf. Manchmal ist zu viel gerade richtig.

„Wenn du deine derzeitige Kommunikation beibehältst, wirst du zu wertvollen Inneneinsichten gelangen.“ Das ist gut. Bei den hitzigen Beziehungsthemen derzeit war das eine angenehme Aussicht. Antons Keks: „In einem Laden steht ein Geschenk für dich bereit.“ Ach ja? Und in welchem? Und was nur? Meint der Keks den legendären Pastrami-Sandwich, den der Kiosk an der Umsteige-Ecke macht? Das Trockenfleisch, das Anton beglückt? Ein Paar der Cowboystiefel hier, die beide Kinder sofort wollten. Leider zu teuer. Eine Perücke? Vielleicht aber auch nur das Glück, endlich die berühmten Seelöwen an der Fisherman’s Wharf zu sehen, sich drängelnd auf den Pontons, vom Familienwalz - Was ist Glück? - In San Francisco am Pier 39Boot aus, nach einer berauschenden Fahrt auf bewegter See, an Alcatraz vorbei und unter der Golden Gate hindurch. Auch beruflichen Erfolg sagten die Kekse dem an allem interessiertem Anton voraus. Er will was werden. Das glauben wir. Wissenschaftler. Archäologe. Biologe. Feuerwehrmann und Polizist natürlich auch. Bauer und Heiler sowieso. Schamane natürlich. Geschichtenerzähler. Wir werden es sehen.

Theo zog einen Zettel, der ihm versprach, ewig Glück zu verbreiten. Das ist leicht zu glauben, das ist die Wahrheit, denn wir sehen es jeden Tag. „Hello!“ strahlt er die Menschen an und sie strahlen zurück. „Bye, bye“ aus Babymund, es gibt nichts Niedlicheres. Blaue Augen, die zu flirten verstehen, die alle in ihren Bann ziehen. Die kleinen Gespräche in öffentlichen Verkehrsmitteln, das sind Glücksmomente, mit völlig Fremden.

Das kann doch kein Zufall sein – das reine Glück im Yosemite-Nationalpark

Das reine Glück brachte uns auch nach Mariposa. Das war Zufall. Oder eine Fügung. Petra wurde krank, hatte eine Halsentzündung und Fieber. Wir mussten schnell etwas finden. Auf dem Hinweg hatte uns das Glück schon ein Motel mit Pool beschert. Es war dunkel gewesen, sehr spät, wir hatten noch kein Abendbrot und noch kein Zimmer. Eine dumme Situation, eigentlich vermeidbar. Wir waren einfach immer weiter gefahren und haben irgendwie schon aufs Glück vertraut. Früher, ich spreche von einigen Wochen früher, hätten wir uns das nicht getraut. Aber was soll schon passieren? Zur Not nimmst du eben irgendein Zimmer, irgendein Bett wird es schon gehen. Und wenn es keins gibt, fährst du so lange, bis es eins gibt, so dachten wir uns das. Die Kinder schlafen dann eben erst eimal im Auto, auch kein Drama. Plötzlich war alles viel leichter. Sorgen sind so sinnlos. Irgendwas wird schon passieren. Eine Lösung wird sich finden.

Und plötzlich tauchte sie auf, die Lösung, nach ewigen Meilen ohne Unterkünfte, das günstige Motel in Jamestown, von einem lieben indischen Paar geführt und als Krone des Glücks planschten wir noch Gesunden bald wild im warmen Wasser. Mit den Kindern mitten in der Nacht unter atemberaubendem Sternenhimmel. Sowas von glücklich macht das. Und alle schliefen wunderbar.

Am nächsten Tag gab es im anvisierten Yosemite-Hostel kein Zimmer mehr, es war wirklich zum Heulen. Denn überall in dem wunderschön am Hang gelegenem „Rustic Montain Resort“ sang und klang es. Wir waren in ein Singer-/Songwritertreffen geraten. Noch dazu gab es hier ein „Health Spa“ mit Sauna, Massagen und Yoga. Das musste das Paradies sein! Und dann kein Bett. Vielleicht würde jemand absagen? No chance, das Meeting, von einer Folksängerin und ihrer Plattenfirma organisiert, war sehr teuer, da würde hundertprozentig niemand absagen. Vergesst es.

Aber ich wollte es nicht vergessen, ich wollte hierbleiben! Ich kann sehr hartnäckig sein, wenn ich etwas will. Auch Bob, den wir beim Essen kennenlernten, machte mir Mut: „Wenn du wirklich hier sein willst und es soll so sein, wird es so sein. Natürlich kann jemand absagen. Dann wird es so sein.“

Einfach bleiben und immer wieder nachfragen. Doch wo? Beim Wegfahren sah Petra, dass die Nachbarn ebenfalls Cabins vermieteten. Es sah auf den ersten Blick müllig aus und war wirklich wenig einladend. Ich wollte trotzdem hin. Petra schauderte. Plötzlich erhoben sich vor uns Blockhäuser, die überraschend nobel und auch für eine Nacht buchbar waren. Ich jubelte. Petra war erschöpft und Theo mittlerweile auch angeschlagen. Wir gingen früh zu Bett.

Ganz früh, vor Sonnenaufgang erwachte ich: ein Glücksmorgen, mein Glück des Schreibendürfens, der jungfräuliche Morgen, ganz für mich. Danach das Glück einer Yogastunde, nicht erklärbar, wer es nicht selbst erlebt hat. Die konzentrierte Anstrengung mit System, das starke Atmen, das sich fokussieren und rundum erneuert werden, das macht mich jedes Mal aufs Neue sehr glücklich. Yoga ist ein Wunder, das pure Glück. Beim Nachruhen wurde mir plötzlich ein vorgewärmtes schweres Tüchlein auf die Augen gelegt: „Would you like to have a blanket?“ Yes please! Ich wurde liebevoll zugedeckt – ein Grund zu schnurren. Jemand sprühte etwas, lauwarmes Wasser mit duftenden ätherischen Ölen benetzte mein Gesicht. Wo bin ich, im Himmel? Ich betete um ein Zimmer an diesem Ort.

Das Wunder geschah. Ich versuchte Petra schonend beizubringen, dass wir kein echtes Zimmer, sondern eine Tent Cabin hatten. Nein, nein, das ist natürlich kein Zelt… Es hat eine Tür und echte Betten. Wir müssten nur ein wenig warten. Petra wurde in Decken in den Spa-Bereich gepackt, schnell eine Massage organisiert und die wieder hergestellte Frau in das neue Zuhause geührt. Ok, es war quasi ein Zelt… Aber es hatte wirklich Betten. Wir lebten mitten in den Baumwipfeln, wir hatten Bioessen und Kinderspielzeug und wie die Engel sangen die Menschen an allen Ecken. Wir blieben länger als wir vorhatten.

Das alles wäre nicht passiert, wenn wir nicht auf das Schicksal vertraut hätten. Wenn ich nicht beharrlich geblieben wäre und Petra sich nicht auf etwas Neues eingelassen hätte. Wo sie doch Zelten nicht mag. Und das, obwohl sie krank war.

Das Glück hatte hier eine Chance bekommen, riesengroß zu werden. Am Abend prasselte das Lagerfeuer, es fühlte sich an, als sängen alle nur für uns. Es wurde nachts kalt – aber Berge von Decken wärmten uns – und alle wurden wieder gesund. Glück.

Was ist für Euch Glück? Wann wart ihr das letzte Mal glücklich?

Alex