In Toronto und Montréal

Irland und Kanada sind auf der kulinarischen Ebene so weit voneinander entfernt wie Erde und Sonne. Auf der einen Seite kulinarische Einöde, auf der anderen erwartet uns ein wahres Geschmacks-Feuerwerk. Vielleicht ist dieser Eindruck auch etwas verzerrt. Wir kommen nach einem langen Flug aus Dublin, mit einem enervierenden Zwischenstopp in St. John an Kanadas rauer Ostküste, spät in Toronto an und sind ausgehungert wie die Löwen. Kein Wunder, die Billig-Airline, mit der wir über den Atlantik geflogen waren, hatte nur einen kleinen Snack im Gepäck – Augen auf bei der Flugbuchung und nicht am falschen Ende sparen.

Nun endlich in Toronto-Downtown ist das erste Lokal, in das wir mit Gepäck und Kindern reinpassten, das „Prickle Barrel Ein Thai-Salat mit Koriander belebt. Ah! Fröhlichkeit und gute Laune haben bei uns schon immer auch mit gutem Essen zu tun gehabt. Gestärkt und frohgemut widmen wir uns nun der zweiten Aufgabe für diesen Abend: eine Unterkunft für jetzt gleich zu finden – es ist inzwischen 21:00 Uhr und mit Zeitverschiebung sind wir jetzt 16 Stunden auf den Beinen! Eigentlich wollten wir couchsurfen. Marin, unsere Gastgeberin für diesen Abend, hatte auch zugesagt, aber – verflixte Technik – unsere irische Sim-Karte funktioniert auf kanadischem Boden nicht mehr. Die dringend benötigte Adresse erreicht uns nicht. Wir buchen im Internet kurzentschlossen ein Zimmer in einem nahegelegenen Bed&Breakfast – Reisen im 21. Jahrhundert kann auch leicht sein.

Mit Marin verabreden wir uns für den Abend darauf. Erstmal müssen wir unseren Jetlag auskurieren. Und das geht bekanntlich am besten mit einem Tag am Meer – ach nee, das ist ja ein See. Familienwalz - In Toronto und Montréal - Am Ontario LakeUnfassbar die Weite des Ontario-Lakes. Unvorstellbar. „Das kann kein See sein!“ Wir müssen hinein, um uns zu überzeugen: Es ist wirklich Süßwasser! Der Strand liegt auf den Toronto-Islands, die in 10 Minuten per Fähre von Toronto Downtown zu erreichen ist. Hier gibt es neben unendlichen Sandstränden einen weitläufigen Park mit riesigen Wiesen, künstliche Flüsse und dazugehörige Bootsverleihe laden zu Unternehmungen ein, Kinderspielplätze, Grillstellen, Fahradleihstationen – für jedes Bedürfnis ist gesorgt. Wir liegen im Halbschatten und lassen die Seele baumeln. Milder Wind kost unsere müden Glieder und die sanften Wellen machen träumen. Theo schläft ohnehin. Und Anton baut. Anton baut immer. Alles wird verbaut und die Ergebnisse sind beeindruckend.

Wie wir später erfahren, hat der Sommer in Kanada just mit unserer Ankunft begonnen. Es ist unvermutet heiß, dazu berückend schön. Eine Großstadt mit Wolkenkratzern, die gemütlich ist. Alles wirkt entspannt. Die Menschen gehen langsamer als in deutschen Großstädten, sind sofort mit helfender Hand uns zur Seite. Du musst nur stehenbleiben oder fragend gucken, schon eilt Hilfe herbei. Wenn mich ein Hustenanfall ereilt – die irische See war doch ein kleines bisschen zu kalt- fragen die Menschen sofort nach, einmal rennt jemand sogar los, Wasser zu kaufen und schenkt uns zwei Flaschen. Und als wir mit der Fähre hinüber auf die Toronto Islands fuhren, schenkt ein kanadisches Mädchen Theo ihren Kuschelhund, einfach so. Das macht sprachlos, sind die Deutschen doch eher dafür berühmt, für nichts Zeit zu haben und Hilfsbereitschaft – auch in meiner Zeit mit Krücken, erlebte ich auch eher selten. Hier strömt uns die Wärme an jeder Ecke entgegen. Du fragst dich: „Warum sind die Menschen in Europa nicht so? Warum sind sie so verstockt? Familienwalz - In Toronto und Montréal - Auf der FähreSo hastig, auf der Flucht, oft humorlos und vor allem verschlossen gegenüber Neuem?“ Unsere Überlegungen, nach Toronto auszuwandern werden jedoch spontan durch weitere Wetterinformationen gestoppt. Der Sommer, so schwören die Leute auf der Straße, war bis jetzt eisig, ganz zu schweigen vom ewigen Schnee, von Oktober bis April, auch mal Minus 35 Grad! Um Himmels Willen!

Abends treffen wir endlich Marin, unsere dritte Couchsurfing-Gastgeberin. Sie ist eine alleinerziehende Mutter mit zwei Töchtern und empfängt uns mit köstlichen vietnamesischen Frühlingsrollen. Ihre ältere Tochter räumt für uns ihr Zimmer, so dass wir in den Genuss eines wirklich breiten Kingsize-Bettes kommen. Wir haben wir einen Volltreffer gelandet. Marin hat schon viele, viele Gäste bei sich übernachten lassen und ist selbst mit ihren beiden Kindern um die Welt gereist. Per Couchsurfing. So verrückt sind wir also gar nicht. „Everybody should do that. When they are old enough.“ Und sie macht uns Vorfreude auf das, was noch kommen wird: „Ein unvergesslicher Moment. Als ich das erste Mal sagen konnte: Passt auf die Koffer auf, ich trinke kurz einen Kaffee. Sie waren groß. Und ich konnte ihnen vertrauen.“

Familienwalz - In Toronto und Montréal - MarinMarin ist entspannt. In allem. Das Haus ist nicht übertrieben ordentlich und sauber, wie bei allen, die wir bis jetzt besucht haben. Es ist immer Platz für ein kleines Kinderchaos. Alle freuen sich mit den Kindern, wenn Küchenutensilien fliegen und Häuser aus Stühlen und Decken gebaut werden. Das beruhigt ungemein und ist so ganz anders als in Urlaubsunterkünften: Hier gibt es Verständnis für laute Kinderspiele und Chaos. Und vollgekackte Stinkewindeln: „No problem.“ Sehr angenehm. Und wir mögen die Hausregeln. So einen Zettel wird es auch bei uns geben, wenn die Kinder lesen können: Wie wir uns am Tisch verhalten, dass jede und jeder etwas mitnimmt und saubermacht. Dass alles probiert wird und wenn es wirklich nicht gemocht wird, nur eine gesunde Alternative in Ordnung ist. Alles steht auf dem Zettel, was gemeinsam im Familienrat beschlossen wird. Wir freuen uns auf die Zeit, in der ein Familienrat möglich sein wird.

Marin zeigt uns den nahegelegenen Spielplatz und erzählt uns dort ein bisschen von ihrem Job, der ihr Spaß macht und sie sehr fordert. Sie ist Wissenschaftlerin und entwickelt Impfstoffe. Für uns ein interessantes Thema, über das wir und vor der Reise lange den Kopf zerbrochen haben. Was können wir den Kindern zumuten und was nicht? Außerdem, die Väter unserer Kinder sind Heilpraktiker und haben durch ihren Beruf viel mit Allergien zu tun, die sie auf Impfungen zurückführen. Unser Kompromiss deswegen: So wenig impfen wie möglich, nur das wirklich Nötigste. Tollwut stand auf der Liste, eine Krankheit, die umgeimpft in jedem Fall zum Tode führt, wenn man nicht sofort ein Gegenmittel gibt, was in abgelegenen Gebieten Asiens durchaus schwer sein kann. Außerdem Hepatitis A und B sowie Typhus. Länder mit mehr Impfanforderungen wurden von der Wunschliste gestrichen – auch wenn es manchmal wehtat. Marin kann unsere Bedenken verstehen, gleichwohl gibt sie zu Bedenken, dass einige Krankheiten, die bereits ausgerottet waren, wie zum Beispiel die Masern, durch die Renitenz der Impfkritiker wieder neu erstarkt sind.

Bei Marin bekommen die Kinder außerdem täglich ein Bad. Was nötig ist. Denn es ist für unsere Kinder unablässig, sich immer und überall auf dem Boden zu wälzen. Natürlich auch in Kensington Market, einem alternativen Viertel mit Köstlichkeiten aus aller Welt und pittoresk anzuschauen. Familienwalz - In Toronto und Montréal - In Kensington MarketJedes der bunten Häuser hat hier einen eigenen Garten vor der Tür, in dem Bohnen, Salat und riesige Sonnenblumen gedeihen. Man findet hier Gewürze jeglicher Art, wir erwerben köstlichen frischen Bio-Fisch und -Garnelen. Chinesen verkaufen an jeder Ecke Gemüse und Obst, dazwischen gibt es allerlei Läden mit Krimskrams, aber auch schöne Möbel und ausgefallene Mode.

Wir sind in erster Linie an Kulinarischem interessiert: Wir probieren an jeder Ecke etwas. Empanadas aus Chile sollen einen ersten Vorgeschmack auf das geben, was noch kommt – im Nachhinein war das ein ziemlich öder Abklatsch vom Original. Dann Samosas und Teigtaschen aus der Karibik und eine Ökobäckerei bietet köstlichen Pekan-Nuss-Kuchen feil. Zum guten Ende verkauft uns ein Mexikaner warme Churros, gefüllt mit Schokolade und Dulce de Leche – dem berühmten südamerikanischem Karamell, die wir, mit tropischen Früchten in einem idyllischem Hinterhofgarten genießen, samt exotischer Gerüche. Der wunderbare Kaffee, mit dem ein weiterer Mexikaner wirbt, stellt sich allerdings als scheußliche Brühe heraus, dünn, wässrig und extrem süß. Etwas, das wir nur mit Mühe und aus Freundlichkeit herunterwürgen. Dazu gibt es köstlichen frisch gepressten Ananassaft und selbstgemachtes Erbeereis, pures Fruchtmus, himmlisch.

Dass wir außer frischen Erdbeeren noch ein weiteres Bringsel mit zu Marin nach Hause bringen werden, ahnen wir noch nicht. Erst nachts dreht sich Anton der Magen um. Er hat sicher irgendetwas vom Boden in den Mund gesteckt – er findet ständig kostbare Dinge – und wir verbringen die halbe Nacht auf dem Klo. Marin, die durch das Gelärm geweckt worden ist, hilft mit großer Umsicht und guten Worten. Sie hat selbst auf ihren Reisen Ähnliches mit ihren Kindern erlebt und ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Und am nächsten Tag ist der Spuk vorbei. Anton kann sich noch nicht einmal dran erinnern – „Ich habe sehr gut geschlafen!“ – Kinderhirne sind seltsam.

In Toronto und Montréal - Im Royal Ontario MuseumUm das immer hungrige Kinderhirn, das ständig nach „Geschichten“ verlangt, zu füttern, besuchten wir am Tag darauf das empfehlenswerte Royal Ontario Museum, ein tolles Naturkundemuseum, das neben wunderbaren Exponaten aus Flora und Fauna über eine riesige Dinosaurier-Sammlung verfügt. Außerdem gibt es eine Ausstellung zu den First Nations – den „Indianern“ Nordamerikas – und eine großartige Kinderabteilung, wo man nach Schätzen graben kann, sich als Ritter oder Prinzessin verkleiden, Steine unter dem Mikroskop betrachten oder im echten Indianerzelt indianischen Gesängen lauscht – kein Wunder, dass es nicht so einfach ist, wieder herauszukommen aus diesem Wissenstempel.

Familienwalz - In Toronto und Montréal - In MontréalUnseren ersten echten Indianer sehen wir schließlich in Montréal. Vor einem Laden mit indigenen Devotionalien steht er und lässt sich für fünf Dollar fotografieren. Seine ganze Kleidung, erzählt er uns, hat er selbst hergestellt – Anton, der im Herzen selbst ein halber Indianer ist, ist sehr beeindruckt.

Was verbindet ihr mit Kanada? Was lohnt sich noch in Toronto oder Montréal?

Petra & Alex
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