Nach dem friedlichen und wunderschönen Kanada fahren wir am 18. September 2014 für vier Tage nach New York – mit dem Zug. Zugfahren in Nordamerika ist ein bisschen anders als in Europa oder Deutschland, ein Zwitterwesen zwischen Flugzeug und Zug. Du kannst nicht einfach einsteigen, losfahren und zur Not das Ticket auch noch im Zug kaufen, du musst die Reise schon vorher planen, vorher ein Ticket besitzen und manchmal auch vorher das Gepäck einchecken, das wiederum nicht schwerer als 25 Kilo sein darf. Wenn nicht, zahlst du drauf, klar. Und auf den Bahnsteig kommst du nur über eine Rolltreppe, Eintritt nur für die, die ein Ticket haben. Wir hatten unseres noch in Alexandria, bei unseren lieben Freundinnen Chantal und Carolyn, gebucht, das ging wiederum leicht im Internet.
Ungewöhnlich für uns sind wir rechtzeitig am Bahnhof von Montréal – dieses Mal wissen wir genau wo das Gebäude steht. Wir steigen voll Vorfreude in den Adirondack – so hieß der Amtrak-Zug – ein und los geht unsere 10-stündige Fahrt nach New York.
Die 613 km lange Strecke, die einmal täglich befahren wird, führt uns entlang wunderschöner Seen durch die üppige Weinregion des Hudson Valley bis nach New York, wo wir halb neun Uhr abends an der Penn Station in New York ankommen.
Die Zugfahrt selbst ist überaus entspannt. Die Kinder toben die Gänge auf und ab: ein fröhliches “Hello!!” öffnet alle Herzen und regelmäßige Gänge zur Imbissstation erhalten die Stimmung. Dort ein echtes Original: einer, der die Ruhe weg hatte. Langsam, zur Musik summend, braut er Kaffee und packt akribisch die Sachen ein, mit einem Lächeln, das seinesgleichen sucht. Die lange, lange Schlange durch den Wagon wartet entspannt und freundlich plaudernd – unvorstellbar in Deutschland. Keiner nervt, keiner beschwert sich. Und der alte Mann hat sicher noch nie etwas von Burn-Out gehört. Er ist sicher verliebt, so wie er selig lächelnd und liebevollst die Sachen berührt.
Beim Aussteigen hinterlassen wir ein Krümelchaos – wie überall, wo wir sind – eigentlich wäre ein Handfeger im Reisegepäck eine gute Idee – und Berge von Nudelsuppenpackungen. Nudeln – das Tröstlichste überhaupt und sie sind überall auf der Welt erhältlich, das vermuten wir, Kinderglück ist also überall möglich.
Böse Vorahnungen – Couchsurfing in New York
Im Zug mailen wir mit einem sympathischen Musiker, der uns via Couchsurfing als Gäste akzeptiert hat. Aber wir haben ein komisches Gefühl. Liegt das am vorherigen Host aus New York, auf den wir uns monatelang gefreut hatten, ein klassischer Musiker, der schon viele zufriedene Gäste hatte? Denn der hat uns kalt abserviert, als wir nicht sofort Fotos von uns allen gepostet haben. Mist. Liegt es an New York, das sich wie alle Großstädte beim Couchsurfing erst einmal mühsam präsentiert? Hier gibt es Abertausende von Couchsurfern, ein Dschungel, den es zu durchforsten gilt. JF bestätigt: “Ja, er habe tatsächlich Platz für alle vier. Aber er hat uns erst nächste Woche erwartet. Egal. Kommt.”
Wir entdecken, dass er neben seinem Plattenlabel und dem Musikerdasein auch eine Lingerie besitzt. Und Sextoys verkauft. Ok. Kein Problem. Und was er mag, neben Musik, Büchern und so weiter: Hot Sex. Aber: Wer nicht? Kein Grund zur Panik. Er weiß, dass eine Familie anreist. Und er hat nur gute Bewertungen. Alles, was schief läuft, wird gepostet, du kannst dir sicher sein: Wer Mist baut, wird beschrieben. Und wer richtig Mist baut, wird rausgeworfen. Also: Auf nach Brooklyn.
Mit müden Kindern im New Yorker Bahnhof versuchen wir herauszufinden, wo wir hinmüssen. Kein Problem. Und alles gar nicht so voll, wie wir dachten. Alle sind “relaxed”. Ein Klischee, das offensichtlich auch auf New York zutrifft. Und das beruhigt ungemein. Die vielen Menschen, die nachfragen, ob wirklich alles okay ist. Ob wir Hilfe brauchen. Oder einfach nur guten Tag sagen und gute Reise wünschen. Hallo New York! So wünscht du dir das Reisen.
Unsere geschenkte Einreise
Dass wir überhaupt in die Staaten einreisen können, stand noch in Irland auf Messers Schneide. Erst unsere Visa-Anstrengungen in Dublin machten unsere gemeinsame Einreise möglich. In Kanada fanden wir dann heraus, dass wir, wenn wir über den Landweg in die USA einreisen, nicht an diesem obligatorischen Waiver-Programm teilnehmen müssen. Bei Einreise in die Staaten per Flugzeug du dich bis spätestens drei Tage vor Abflug im Internet registrieren und beantworten, ob du vor hast eine Bombe zu bauen, Chemikalien zu schmuggeln oder ob du Terrorist bist. Im Zug musst du diese Informationen natürlich auch liefern, natürlich auch die Kinder. Könnte ja sein, dass der nicht einmal zweijährige Theo ein Genie ist und die Formel für eine Atombombe dabei hat… Ach ja, und du musst natürlich für die Einreise zahlen, mit US-Dollar, cash – hatte ich auch vorher irgendwo gelesen, aber natürlich längst wieder vergessen.
An der Grenze haben wir deshalb weder kanadische noch amerikanische Dollar. Und die Visakarte, die sonst immer alles rettet, hilft in diesem Fall auch nicht. “Tja, dann hilft nichts, als im Zug fragen, wer euch die 25 Dollar auslegen kann,” sagt der durchaus freundliche Officer. Peinlich. Aber auch hier gilt, wer mit Kindern reist, ist einfach beschützt. Wir haben, Theo sei Dank, schon vorher sehr netten Kontakt mit Hillary und Malcolm, einem älteren Paar aus Ottawa, die für ein Wochenende ihre Tochter besuchen wollen. Die beiden, die sich die ganze Fahrt über rührend mit Anton und Theo beschäftigen, legen uns das Geld nicht nur aus. Sie schenken es uns sogar! Die Rettung und wieder ein Beweis, wie hilfsbereit die Kanadier sein können.
- Fotos Vietnam - 17. Oktober 2015
- Fotos Philippinen - 29. Juni 2015
- Fotos Thailand - 26. Mai 2015