Dublin vor Sonnenaufgang und endlich irischer Regen

Das frühe zu Bett gehen hat den Vorteil, dass wir auch in unruhigen Nächten nicht allzu wenig schlafen. Von wegen: wie anstrengend das wird, mit Kindern auf Weltreise. Unsere Erfahrung ist, dass wir mehr schlafen, nicht fernsehen, ausgeruhter sind und allesamt friedlicher. Von den üblichen Machtkämpfen und Trotzanfällen einmal abgesehen. Das frühe Zu-Bett-gehen hat am Anfang der Reise auch noch den Vorteil, dass ich zu Nachtzeiten erwache und im Keller der Herberge schreiben kann. Inmitten seltsamer Gestalten: Klapperdürre Männer sitzen an ihren Laptops. Sich klassisch von Kaffee und Zigaretten ernährend. So zugedröhnt, nicht vorstellbar, das da noch was “zu Papier” kommt, aber wer weiß?

Zu dieser Tageszeit gibt es Zeit. Eigene Zeit. So ein Luxus. Zeit, die rar ist und plötzlich da, schmeckt süß wie nichts anderes. Petra und die Jungs schlummern noch süß. Ich habe Hunger. Und entdecke glücklich wie ein Kind in der Küche die „free box“. Ach ja, das kenne ich noch, Übriggebliebenes in Hostels, zur freien Verfügung. Ein Geschenk, wie Ostern, wie Containern, eine tolle Überraschung, das kleine Frühstück und der Tee.

Ich liebe den frühen Morgen, die frühe blaue Stunde, wenn es noch dunkel ist und der Tag blutjung. Wenn die Stunden süß und lang vor einem liegen wie in einem Präsentkorb und die Zeit dir ganz alleine gehört. Das ist meine kreative Zeit, meine Lieblingszeit. Ich bin immer schon gerne früh aufgestanden. Früh morgens sieht es noch keiner, wenn du in Sommerhitze nackt im Garten arbeitest. Morgens hast du im Betrieb noch deine Ruhe und später eine längere Mittagspause. Morgens bin ich noch ausgeruht und voller Tatendrang. Mit diesem geruhsamen und produktiven Anlauf bin ich in der Lage, den Morgen mit den Kindern zu stemmen. Wenn der Geist schon etwas hervorgebracht hat oder die Hände, dann geht auch der Rest.

Familienwalz - Buntes Dublin, Reifenpannen & Couchsurfen im Hippieparadies - Wohin heute?Heute Morgen regnet es. Na toll. Zu früh gefreut. Irland ist grün und wir wissen warum. Eine kleine Freude: die Regensachen sind nicht umsonst mitgekommen. Sogar Petra freut sich darüber, so schlimm ist der recht warme Regen gar nicht. Von Kopf bis Fuß darin gewandet, zockeln wir los. Die nahe Moore Street stoppt uns, wieder einmal begeistern uns Einwanderer mit tropischen Gemüseläden, riesigen Jack-Fruits, weiteren unbekannten Früchten und Gemüse. Das ist etwas, was uns immer wieder anzieht, die Stimmung in diesen Straßen, die Musik. Die Melange aus tausend Düften, Gewürze, Fischläden, Bäckereien. Wir beginnen den Tag so und beenden ihn später auch hier in einem würzigen Paradies unter Tage, wo uns eine Reihe von Buffets erwartet, indisch und kreolisch, nach einem Regentag ist das genau das Richtige.

Familienwalz - Buntes Dublin, Reifenpannen & Couchsurfen im Hippieparadies - Originale aus LimerickDie schönsten Ausflüge sind immer die spontanen, die geschenkten, die Zufälle, die vielleicht keine sind. Die Fügungen, die uns an gute Orte bringen, zu besonderen Menschen und zu Gelegenheiten, die wir nur ergreifen müssen – das bewegt. Wie heute die Fotoausstellung im Nationalen Fotoarchiv über die Menschen auf dem Milk-Market in Limerick in den Sechziger Jahren. Es sind große Portraits in Schwarz-Weiß  von wettergegerbten Gesichtern, spielenden Kinder und vor allem von alten Menschen. Wie schön das Alter sein kann, wie schön Falten sind, die ein gelebtes Leben zeigen, wie berührend sind diese Gesichter. Botox ist der Teufel. Wie großartig Fotographie ist, macht diese Ausstellung klar. Viel zu hektisch ist das Knipsen oft, aber diese Arrangements, diese Kompositionen, dieses Einfangen von Menschlichkeit, das ist Kunst und lässt ehrfürchtig werden.

Familienwalz - Buntes Dublin, Reifenpannen & Couchsurfen im Hippieparadies - Auf dem Organic Lokal FoodmarketVor der Tür begeistert der allwöchentliche Farm-Market, lokale Bioprodukte, ein Stand schöner als der andere. Wir schlemmen uns durch Crèpes, Scones und Austern. Live and love longer – nichts lieber alsFamilienwalz - Buntes Dublin, Reifenpannen & Couchsurfen im Hippieparadies - Auf dem Organic Lokal Foodmarket das.

Der Regen macht müde, wir machen Mittagsschlaf in einem Bus, einmal bis zur Endstation und zurück. Absurd: das Pferd am Straßenrand in einem Vorort, ansonsten Langeweile, ideal zum Relaxen. Die Tristesse der Vorstädte lässt uns glücklich in die Arme der Großstadt, die sich so angenehm dörflich erwandern lässt, zurückkehren.

 

Petra & Alex
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